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Braucht mein Kind Einlagen?

02/10/20 05:57:PM

Etwa 98 Prozent aller Neugeborenen kommen mit unauffälligen Füssen zur Welt. Babyfüsse besitzen noch keine selbsttragenden Gewölbe aber eine dicke Speckschicht, welche die Füsse platt erscheinen lässt. Wenn die Kleinen zu stehen beginnen und später zu laufen, müssen sich die mit den Fuss-Sohlen zueinander gerichteten, nach innen gekippten Füsse zum Boden hin drehen. Durch jene Bewegung werden die Fussgewölbe gestärkt und diese tragen sich mit der Zeit ohne Hilfe der Fettpolster selbstständig. Bis zum zweiten Lebensjahr stehen die Beine in einer natürlichen O-Stellung. Sie sorgt für mehr Stabilität beim Laufenlernen. Danach beginnen die Kinder x-beinig zu laufen, um nicht über ihre eigenen Füsse zu stolpern. Bis circa zum achten Lebensjahr ist diese leichte X-Beinstellung normal. Auch Knickfüsse gehören bei gesundem Wachstum bis zu einem gewissen Grad zur Regel und normalisieren sich ebenfalls bis etwa zum achten Lebensjahr. Häufig wird der Fehler gemacht, eine zu intensive Abweichung als normal anzusehen und den günstigen Zeitpunkt für eine unterstützende Korrektur mit Einlagen zu verpassen. Ich denke, der Grund liegt an nachfolgenden zwei Umständen: Als Erstes wird die Wirksamkeit von Einlagen an historischen Einlagemodellen gemessen, die hart und unflexibel hergestellt wurden und dem Kinderfuss mehr schadeten als nutzten. Glücklicherweise ist dies mit den heutigen flexiblen und sensomotorisch wirkenden Einlagen nicht mehr so. Viele Kinderärzte untersuchen die Kinder nur einmal in den ersten Lebensjahren auf Fuss und Beinfehlstellungen, wenn Eltern anhand ihrer eigenen Beobachtungen beunruhigt zum Arzt kommen. Durch die ungenügende zeitliche Dokumentierung der Entwicklung und den gut gemeinten Rat des Arztes, es werde sich schon noch auswachsen, erhält dieser keine Möglichkeit seine Aussage zu überprüfen. Die Eltern konsultieren ihn oft kein zweites Mal deswegen und als Kinderarzt sieht er die Folgen einer solchen Nichtbehandlung bei erwachsenen Patienten nicht. Wir Orthopädietechniker hingegen überprüfen bei Kindern die Wirkung der Einlagen alle sechs Monate und konnten dadurch über die letzten Jahrzehnte eine kontinuierliche Optimierung der Wirksamkeit von Kindereinlagen erreichen. Als Folge dessen sind wir auch in der Lage rechtzeitig zu erkennen, wo Einlagen nicht angebracht sind, eine Beobachtung notwendig ist oder eine Einlagenversorgung erforderlich ist. Das Problem liegt darin, das intensivste Wachstum des Kindes für die Einlagenversorgung zu nutzen und nicht durch Abwarten, ob es sich allenfalls doch auswächst, zu verpassen. Wie Sie aus den Kapiteln Knickfuss, Senkfuss und Plattfuss wissen, wirken sich Funktionsstörungen und Instabilitäten aus diesen Fehlstellungen umfangreich auf die Gesundheit des gesamten Skeletts aus. Besonders bei Kindern, wo sich komplexe Gelenke, wie zum Beispiel die Knie, unter solchen ungünstigen Bedingungen entwickeln, können nachhaltige Schäden entstehen. Eine unbestrittene und eindeutige Indikation für Einlagen ist auch bei Kindern eine anhaltende Schmerzsymptomatik, mit der der Körper nach Massnahmen ruft. Als Basis empfehle ich Kindern, mit auffälliger Fuss- und Beinstellung, aktiv an der Stärkung der Muskulatur und der Koordination zu arbeiten. Eine der Ursachen für die genannten Fehlstellungen ist das Ungleichgewicht der Muskelspannung. So führt ein geringer Tonus des hinteren Schienbeinmuskels, im Verhältnis zu den Wadenmuskeln, zu einem verstärkten Absinken des Längsgewölbes und einem Einknicken der Ferse. Eine Übung zur Kräftigung dieses Muskels besteht in einem mehrfachen, langsamen, auf die Fussballen Stellen und Absenken der Ferse. Eltern, die es bereits versuchten, wissen wie schwierig es ist Kinder täglich zu animieren Fussgymnastik Übungen durchzuführen. Die anfängliche Freude ist meist rasch verflogen und Routine langweilt die Kleinen bald. Um den Familienfrieden trotzdem auf Dauer zu sichern, empfehle ich deshalb als Ergänzung eine Sportart nach Wahl auszuüben. Selbst wenn Fussball nicht so wirkungsvoll wie beispielsweise Ballett ist, erreichen die Kinder durch umfangreichen Enthusiasmus und ein begleitetes Trainingsprogramm effektive Erfolge. Als hilfreich erwies sich auch, Kindern möglichst lange ohne Schuhe das Gehen zu lernen und ihnen zu ermöglichen, mit den Füssen zu spielen. Dabei wird die Wahrnehmung gefördert und die sensomotorische Reizkette führt zu einer gesünderen Entwicklung, nicht nur der Füsse. Unterdrücken Sie die Angst vor Verletzungen und lassen Sie die Kinder auch draussen Spielerfahrungen ohne Schuhe machen. Menschen, die in ihrer Kindheit häufig ohne Schuhe gingen, leiden im Alter weniger unter Fussproblemen. Fazit: Entscheidend ist also der Grad der Abweichung, die ein gewisses Mass nicht überschreiten sollte. Bei Grenzfällen müssen Füsse und Beine über Monate beobachtet und regelmässig ausgemessen werden, damit ein rechtzeitiges Handeln ermöglicht wird. Nicht zuletzt ist es ganz und gar unerlässlich, allfällige Einlagen nach modernsten Erkenntnissen herzustellen, um eine aktive Verbesserung erreichen zu können. Holen Sie sich eine Zweitmeinung und dokumentieren Sie im Zweifelsfall die Entwicklung über mehrere Monate mit einer Digitalkamera. Mit diesen vergleichenden Fotos als Grundlage wird es einfach, die richtige Therapieentscheidung zu treffen. Quelle: Buch "Füsse, Fussprobleme erkennen und behandeln" ISBN 978-3735774910