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Das kann doch nicht sein

02/11/20 01:33:PM

Bitte lesen Sie bis ganz zum Schluss, es könnte auch Sie oder Ihre Liebsten einmal betreffen.

Jeden Monat werden von Ihrem wohlverdienten Lohn Abzüge gemacht. Sei es für die AHV, EO, IV oder Pensionskasse.

So weit so gut. Oder doch nicht?

Ich möchte nicht über eine AHV schreiben, die in Zukunft Ihre Rente nicht mehr zahlen kann. Auch möchte ich hier die Pensionskassen nicht in Verantwortung ziehen, die unser Geld in Beton investieren oder Aktien in absolut absurde Höhen treiben. Ich muss kein Finanzexperte sein, um zu wissen, dass dies noch ein böses Ende nehmen wird. 

Sondern ich möchte mich einmal über unsere IV äussern. 

Brauchen Sie vielleicht einmal ein Hilfsmittel, eine Beinprothese, eine Beinorthese oder Ähnliches – was ich nicht hoffe für Sie – dann beginnt der sehr häufig diskutierte Papierkrieg mit diversen Akteuren. Neben der IV handelt es sich dabei um den behandelnden Arzt, dem Orthopädisten, der SHAB und natürlich Ihnen, dem Patienten. 

Bis Sie nur eine Kostengutsprache der IV für ein für Sie nötiges Hilfsmittel überhaupt einmal erhalten, können Monate vergehen. Vielleicht auch Jahre.

Hier ein Beispiel:

Einem Kunden von uns, der hier nur als Beispiel und Stellvertreter für viele, sehr viele solcher Fälle dient, musste leider das Bein amputiert werden. Wir erhielten eine Verordnung seines behandelnden Arztes, dass wir für die betreffende Person eine Beinprothese herstellen dürfen.

Nun musste unser Kunde ein mehrseitiges Formular ausfüllen, der Arzt ein Rezept ausstellen sowie einen Bericht schreiben und der Orthopädist einen Kostenvoranschlag aufstellen. Dieser Kostenvoranschlag wurde weiter vom Kunden unterschrieben, der den ganzen Papierkrieg dann der zuständigen IV-Stelle zusendete. Die hat nun ganze 2 Monate Zeit, diesen „Wunsch“ zu überprüfen. Da die Verordnung des Arztes für uns, den Orthopädisten, jedoch gesetzlich verpflichtend ist, mussten wird in der Zwischenzeit auf unsere eigenen Kosten die Beinprothese bereits herstellen, ohne zu wissen, ob sie in Zukunft überhaupt von jemandem bezahlt werden wird. Nach der Fertigstellung des Hilfsmittels folgte eine Überweisung vom Arzt an ein Rehabilitationscenter, damit unser Kunde wieder laufen lernen konnte.

Bitte weiterlesen. Ist noch lange nicht Schluss.

Um unseren Kostenvoranschlag für ein Hilfsmittel, welches wir eigentlich bereits hergestellt haben, zu überprüfen, gab die IV den Auftrag an die SAHB (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte), eine Empfehlung für das entsprechende Hilfsmittel, also die Beinprothese unseres Kunden, anzufertigen. Die SAHB – aus meiner Sicht eine private Firma – sollte unseren Kostenvoranschlag auf Wirtschaftlichkeit, Einfachheit und Zweckdienlichkeit prüfen. Das Hilfsmittel muss also billig, einfach und zweckdienlich sein. Dies wird in den meisten Fällen auch direkt am Kunden, also seiner Beinprothese, überprüft. Jedoch dürfte es diese Prothese ohne Kostengutsprache der IV noch gar nicht geben, ausser der Kunde möchte sie selber bezahlen. Dies war jedoch in den letzten 33 Jahren vielleicht drei Mal der Fall. Gleichzeitig sind wir jedoch dazu verpflichtet, die Prothese anzufertigen, denn wie sonst soll der Kunde seine Reha antreten? 

Nach Prüfung durch die SAHB wird von dieser Stelle zuhanden der IV eine Empfehlung gemacht, die für die IV jedoch überhaupt nicht bindend ist. Im nächsten Schritt und im besten Fall, im wirklich aller besten Fall, stellt uns die IV nach weiteren 2 Monaten eine Kostengutsprache aus. Der zuständige Sachbearbeiter der IV entscheidet dabei nach Vorgabe der IV, ob eine Kostengutsprache ausgestellt wird oder nicht, egal was der Arzt des Patienten ursprünglich im Spital rezeptiert hatte. 

Sollte jedoch der IV, also diesem Sachbearbeiter, irgendwelche Unterlagen fehlen oder sollte die Stelle nach 2 Monaten einen Fehler finden, wird uns der Papierkrieg wieder zurückgesendet um eventuelle Korrekturen anzubringen. So vergehen weitere Wochen des Wartens.

In der Zwischenzeit hat der Kunde bereits seine Reha erfolgreich abgeschlossen, ist zuhause und arbeitet vielleicht schon wieder. All dies unter anderem dank unserer Vorfinanzierung der Prothese, die der Patient ja auch benötigt.

Jetzt endlich...? Falsch gedacht! Bitte weiterlesen.

Nun endlich nach Erhalt der Kostengutsprache können wir unsere vorfinanzierten Leistungen der zuständigen IV-Stelle überhaupt verrechnen. Unsere Rechnung wird aber selbstverständlich nochmals geprüft und an die zentrale Ausgleichsstelle in Genf zugestellt. Nun ist die Zentrale Ausgleichsstelle der IV aber mit unserer Rechnung nicht einverstanden, weshalb das Ganze wieder der zuständige IV-Stelle und uns zurückgeschickt wird. All dies trotz Verordnung, Rezept und Bericht des Arztes, unserem Kostenvoranschlag, der Empfehlung des SHAB und bereits von der IV ausgestellten Kostenbewilligung! Das gesamte Spiel beginnt wieder von vorne...

Sollte jedoch alles in Ordnung sein, hat die IV noch einmal 2 Monate Zeit bis Sie uns die vor Monaten geleistete Arbeit bezahlt.

2 Punkte

Erstens ist es für mich unverständlich, weshalb trotz Rezept des Arztes und unserer fachlichen Meinung das Hilfsmittel nochmals von einer weiteren Stelle, der SHAB, auf Richtigkeit geprüft werden muss. Wobei weder die Aussage des Arztes, der SHAB oder von uns für die IV verbindlich ist. Schlussendlich entscheidet ein einfacher Sachbearbeiter über die „Richtigkeit“ eines Produktes, von welchem er gar nichts verstehen kann.

Zweitens wird von meinen Mitarbeitern und mir das ganze Risiko getragen. Arbeitszeit, Materialien und Infrastruktur müssen wir einfach zur Verfügung stellen und können nur darauf hoffen, dass irgendeinmal in der Zukunft die von uns vorfinanzierten Leistungen beglichen werden. Oder auch nicht.

Frage:

Wieso ist die Schweiz so teuer? 

Im ganzen beschriebenen Zirkus müssen viele Arbeitsstellen ausgefüllt und manchmal neu erfunden werden. Die Kosten, die damit entstehen zahlen Sie und ich. 

Wenn Sie bis hier hin gelesen haben, besten Dank! 

Entschuldigen Sie vielmals, habe noch etwas für mich ganz wichtiges vergessen. Wie es unserem Kunden im ganzen Papierkrieg mit Ärzten, zuständigen Stellen und uns geht war für die IV nie eine Frage Wert. Und das ist doch das Schlimmste an diesem ineffizienten System, nicht dass alles so viele Kosten verursacht, sondern, dass die Bedürfnisse unseres Kunden für die IV keine Bedeutung zu haben scheinen. 

Uns liegen Sie jedoch am Herzen. Deshalb....

Bleiben Sie gesund

Ihr Marco Steffen