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Gesucht: Facharzt für Fersen

02/11/20 03:40:PM

Hans Sorglos freut sich über eine robuste Gesundheit und ist mit seinen 72 Jahren stolz, dass er so gut wie nie zum Arzt gehen muss.

Seit ein paar Wochen quälen ihn nun aber doch stechende Schmerzen an der rechten Ferse, die einfach nicht wieder verschwinden wollen. Dadurch verunsichert, vereinbart er bei seinem Hausarzt einen Termin. Dieser habe ja Medizin studiert und auch noch promoviert, folglich müsse selbiger doch bestimmt wissen, was ihm fehle. 

An dieser Stelle müssen wir vielleicht kurz innehalten und überlegen, was sich Herr Sorglos wohl von dem Arztbesuch versprechen könnte, beziehungsweise was seine Erwartungen sind. Vielleicht würde er einfach gerne mit jemandem über die lästigen Schmerzen sprechen, möglicherweise möchte er auch, dass sich jemand um ihn kümmert, allenfalls will er aber nur wissen, wie man dem sagt, was ihn da quält oder vielleicht möchte er gar, dass der Schmerz endlich aufhört? Womöglich hat er sich diese Frage allerdings noch gar nicht gestellt. 

Ungeachtet dessen freut sich sein Hausarzt, über den seltenen Gast und nimmt die Ferse genau unter die Lupe. Er veranlasst eine Blutuntersuchung, sowie Röntgenbilder und schafft es mit diversen Handgriffen, den Schmerz beträchtlich zu verstärken. Was er jedoch nicht schafft, ist zu sagen, woran Herr Sorglos leidet und so sagt er ihm "ich kann leider nichts finden und überweise sie deshalb an einen orthopädischen Facharzt, den ich gut kenne". 

Erfreut über die grosse Anteilnahme die ihm entgegengebracht wird und mit der Gewissheit, dass der Gang zum Arzt gerechtfertigt war, da er ja offenbar etwas Ernsthaftes hat, sowie mit stärkeren Schmerzen als zuvor, verlässt er die Praxis. 

Vier Tage später erhält er einen Anruf der orthopädischen Facharztpraxis, die mit ihm einen Termin für kommenden Freitag vereinbart ihn allerdings zuvor noch ins Röntgeninstitut für eine Computertomographie überweist. 

Der Besuch beim Facharzt beinhaltet eine erneute Untersuchung, eine Besprechung der CT-Bilder und eine schmerzhafte Spritze in die Ferse ("es könne vorkommen, dass diese etwas unangenehm sei"). Der Facharzt befürchtet, dass er Arthrose habe und dass der Verdacht auf einen Fersensporn bestehe. Dies solle aber ein befreundeter Arzt, der auf Füsse spezialisiert ist, noch ausführlich abklären, weshalb er ihn dorthin überweise. 

Leicht missmutig und mit einer DVD voller Bilder, die er nicht versteht, verlässt Herr Sorglos die Fachpraxis. Nicht mehr ganz so sorglos fragt er sich, ob die Schmerzen irgendwann wieder verschwinden mögen.
Nach weiteren 10 Tagen - der Fuss-Spezialist ist sehr beschäftigt - erreicht er die Fusspraxis wo er ein weiteres Mal viel Beachtung für seine Fersenschmerzen erhält. Leider habe die Spritze den gegenteiligen Effekt gehabt, so dass er seither noch intensivere Schmerzen habe und inzwischen ziemlich verzweifelt sei. Kein Problem, erklärt ihm der Arzt, "was sie haben, ist eine Fasciitis plantaris und ich verschreibe ihnen orthopädische Schuheinlagen nach Mass. Sobald sie diese haben, kommen sie bitte nochmals zu mir in die Sprechstunde für eine Nachkontrolle". 

Glücklich nun zu wissen wie sein Leiden genannt wird und mit neuer Zuversicht, überlegt er, dass dies wohl ein wirklich guter Arzt sein müsse, da er innert weniger Minuten das Rätsel um seine Schmerzen lösen konnte.
Auf dem Nachhauseweg bemüht er sich den Zungenbrecher "Fasciitis plantaris" korrekt auszusprechen, damit er seiner Frau davon berichten kann. 

Tags drauf erfährt er jedoch beim Orthopädie-Techniker, der ihm nach einer Gang- und Fussanalyse seine Einlagen individuell herstellt, dass seine Fasciitis plantaris relativ häufig vorkomme und im Grunde auch ohne grosse medizinische Kenntnisse und teure Analyseverfahren diagnostiziert werden könne. Viele Patienten kämen direkt zu ihm, um sich deswegen Einlagen anfertigen zu lassen. 

Etwas verdattert über diese Erkenntnis lässt er sich vom Techniker auch noch Gratistipps geben, wie er mit gezieltem passivem Dehnen die Wirkung der Ein- lagen verstärken kann.
Kaum hat er die Einlagen, verschwinden die Schmerzen zügig und Hans Sorglos freut sich darüber, dass es nicht auch noch Spezialärzte für die Fersen gibt.